Warum die eigenen Zähne so wichtig sind
Ich kann Ihnen gratulieren. Sie verfügen über einen Körper, der im Laufe von Millionen von Jahren von der Natur immer weiter perfektioniert und an die äußeren Lebensumstände angepasst wurde. Diese Anpassungsvorgänge verliefen langsam, unmerklich aber äußerst effektiv. Wir konnten uns die Erde untertan machen. Betrug die durchschnittliche Lebenserwartung eines Erwachsenen zurzeit von Jesu Geburt etwa 28 Jahre, im Mittelalter 32 Jahre, um 1900 40 Jahre und im Jahre 2020 80 Jahre, so ist auch weiterhin davon auszugehen, dass die Lebenserwartung in ferner Zukunft immer weiter zunehmen wird. Wir werden halt einfach immer älter, medizinischem Fortschritt, verbesserten Hygienebedingungen und technischer Innovation sei Dank.
Obwohl wir heute ein hohes Alter erreichen können, hat offensichtlich unser Körper damit nicht Schritt halten können, ausgelegt sind wir wahrscheinlich eher für eine Lebenserwartung von vielleicht 50-60 Lebensjahren, so lange können wir in der Regel ohne größere Problem unseren Alltag meistern. Mit zunehmendem Alter schränken uns z.B. Arthrosen, Rückenbeschwerden, Parkinson, Alzheimer, Altersdemenz und ähnliches ein. Egal wie alt wir letztendlich werden sollten, Essen und Trinken gehört bis zum letzten Lebenstag dazu. Auch ab dem 55. Lebensjahr und das können Sie mir getrost glauben, macht das Essen von herzhaften und saftigen Steaks mit den eigenen Zähnen Spaß und vermittelt immer wieder aufs Neue einen kulinarischen Hochgenuss.
Schon seit Tausenden von Jahren wird den Zähnen ein hoher sozialer und kultureller Status zu gewiesen, nicht erst in Zeichen von sozialen Netzwerken von Facebook und Co. Schon die alten Etrusker haben vor über 2000 Jahren bereits versucht, verloren gegangene Zähne durch mit Golddraht aneinander fixierte Zähne in Brückenform zu ersetzen. Der römische Geschichtsschreiber Aulus Cornelius Celsus beschreibt die Beobachtung, dass der bissigste und gefährlichste Hund lammfromm wird, nachdem man ihm seine Zähne entfernt hat.
Die berühmteste Prothese dürfte die vom amerikanischen Präsidenten Georg Washington (1732-1799) sein, ein aus einem Walfischknochen geschnitztes Exemplar, welches hauptsächlich ästhetischen Ansprüchen genügte. Echtes Kauen war damit leider nicht möglich. Zu bewundern auf dem Gut Mount Vernon.
Augen und Zähne sind die wichtigsten Parameter bei der Beurteilung eines Menschen.
Unsere eigenen Zähne sind aber nicht nur Schmuckstücke, die uns strahlen und sympathisch beim Gegenüber erscheinen lassen sondern sind auch funktionell sehr wichtig.
Schon Leonardo da Vinci hat vor 400 Jahren akribisch die Veränderungen gezeichnet, die den Unterschied zwischen einem jugendlich, vitalen und hübschen Gesicht gegenüber den eingefallenen Gesichtszügen eines alten, seit vielen Jahren zahnlosen Menschen ausmachen. Diese Unterschiede erklären sich wie folgt und sind auch schon seit langem bekannt: Die eigenen Zähne stecken nicht einfach im Knochen wie ein Nagel in einem Stück Holz. Im Gegensatz zum Nagel sind die eigenen Zähne elastisch an Bändern auf gehangen. Diese Bänder oder Fasern ziehen von der Wurzeloberfläche zum Kieferknochen hin. Diese Fasern sind solange man nicht zubeißt entspannt und etwas wellig.
Beißt der Mensch jetzt zu, werden die Zähne in den Knochen gedrückt und die Fasern spannen sich. Dies hat zur Folge, dass die ursprüngliche Druckbelastung durch das zubeißen und somit dem Spannen der Fasern in eine ZUGBELASTUNG umgewandelt wird. Diese Zugbelastung sorgt dafür, dass der Knochen eben nicht wie bei der reinen Druckbelastung abgebaut wird, sondern im Gegenteil, da wo nötiger zeitlebens sogar noch verstärkt wird. Sind die Zähne mit ihren Wurzeln weg, sind die Fasern auch weg. Die Umwandlung der Druckbelastung in eine Zugbelastung findet nicht mehr statt und der Knochen bildet sich zurück und schrumpft. Man verliert an Gesichtshöhe und im Seitenprofil, bzw. von der Seite aus gesehen entsteht das typische, alte Gesichtsprofil. Hierbei verlagert sich die Kinnspitze nach vorne und nach oben. Ein Greisengesicht entsteht.
Sind die Zähne verloren gegangen und der Patient bekommt eine normale totale Prothese wird beim Essen der Kaudruck als Druck auf den darunter liegenden Knochen übertragen. Da keine Umwandlung des Kaudrucks in eine Zugbelastung mehr stattfindet schrumpft der Kiefer. Beim Unterkiefer geschieht dies in der Regel bedeutend schneller als im Oberkiefer und nach ca. 15-20 Jahren Totalprothese ist der Unterkieferknochen in der Regel so stark reduziert, dass die Prothese immer lockerer im Mund liegt und leider keinen Halt mehr findet.
Merke: Druckbelastung: sehr schlecht, Knochen schrumpft
Zugbelastung; sehr gut, der Knochen bleibt erhalten und wird zeitlebens angepasst